Mit Marine le Pen ist in dieser Woche im größten Land der EU eine Rechtspopulistin in die Stichwahl zur Präsidentschaft eingezogen. In der Türkei kann Erdogan nach dem Sieg bei seinem Referendum nun beruhigt autokratisch vor sich her regieren. Großbritannien verabschiedet sich bald aus der europäischen Gemeinschaft. Und in den USA, dem wichtigsten Land der Erde, regiert mit Trump ein unberechenbarer Rechtspopulist der alles für die eigene Medienaufmerksamkeit tun würde.
Es wurde bereits viel über die Gründe für dieses Erstarken des Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien geschrieben. Einmal ist die wirtschaftliche Lage Schuld. Einmal wird das Büßerkleid dem Kapitalismus übergestülpt da er so viele ökonomische Verlierer produziert. Ein andermal ist die ach so böse Digitalisierung Schuld da sie ganze Bevölkerungsteile in große Unsicherheiten stürze. Und zu guter Letzt wird der Schuldige bei der Landbevölkerung ausgemacht die sich von der Globalisierung ausgeschlossen fühlt. So richtig und wichtig diese Gründe auch sein mögen ein wichtiger Aspekt dieser Debatte wird politisch und medial völlig ausgeblendet. Wenn wir den Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien wieder zurückdrängen wollen dann müssen wir uns um die Repräsentanz in der Politik kümmern. Hierbei handelt es sich um ein richtiges und wichtiges Grundprinzip einer jeden repräsentativen Demokratie das aber zunehmend in Vergessenheit gerät.
Ein Blick in unser Parlament und das der anderen westlichen Demokratien zeigt ein ganz klares Bild: die Repräsentanz funktioniert nicht mehr. Der Durchschnittsabgeordnete ist männlich, er ist weiß, hat eine deutsche Herkunftsgeschichte, er ist über 50 Jahre alt, trägt einen Anzug, ist Akademiker und er hat Jura oder Betriebswirtschaftslehre studiert. Es ist faszinierend auf wie viele Abgeordnete diese sieben Merkmale zutreffen. Nur 32 von 631 Abgeordneten der aktuellen Legislaturperiode sind unter 35 Jahren alt. Das sind knapp 5 Prozent der Abgeordneten, der Anteil der 18- bis 35-Jährigen an der gesamten Bevölkerung liegt jedoch bei rund 20 Prozent. Ähnlich sieht es bei der Repräsentanz von Frauen, Migranten oder Menschen mit Behinderung aus. Der Versuch der Repräsentanz hat dieser Bundestag längst aufgegeben.
Leider sieht die Lage bei den Parteien nicht besser aus. Mit knapp 60 Jahren Durchschnittsalter sind die SPD und die CDU heillos veraltet. Da hilft auch der aktuelle Mitgliederboom wenig. Ich bin selber Vorsitzender eines Ortsvereins der SPD. Einer Partei die sich als Volks- und Arbeiterpartei versteht. Wenn ich mir unsere Mitgliederliste anschaue dann sind wir zwar deutlich jünger als der SPD Durchschnitt doch auch wir sind fast ausschließlich Akademiker. Von einer Repräsentanz sind auch die Volksparteien weit entfernt.
Hieraus ergibt sich für eine repräsentative Demokratie ein großes Problem. Repräsentanz ist zwar keine Garantie für eine gute Politik. Sie ist aber der beste Garant für eine verantwortungsvolle Politik. Nur durch die Repräsentanz kann sichergestellt werden, dass auch alle Positionen in den demokratischen und parlamentarischen Prozess miteinfließen.
Die Politiker aber auch die Gesellschaft in Gänze tragen eine Verantwortung für dieses politische System. Wir alle tragen die Verantwortung, dass alle Bevölkerungsgruppen zumindest gehört werden. In der aktuellen Verfassung des Systems kann dies allerdings nicht mehr garantiert werden. Junge Menschen schauen auf dieses System und sehen vor allem alte Männer die über Dinge diskutieren die sie eh nicht interessieren. Migranten schauen auf dieses System und sehen vor allem Deutsche die zwar über Integration reden wo aber die Betroffenen nicht gehört werden. Frauen schauen auf dieses politische System und sehen alte Männer die über sie aber nicht mit ihnen diskutieren. Irgendwann wendet man sich dann von diesem politischen System ab und wählt gar nicht mehr oder eben einfach rechts. Genau dieses Phänomen können wir aktuell fast überall in Europa beobachten. Hierin liegt auch eine wichtige Erklärung warum sich so viele Deutsch-Türken beim Referendum in der Türkei gegen ein demokratisches System entschieden haben. Sie haben durch die fehlende Repräsentanz nie zu diesem gefunden.
Nun ist Repräsentanz kein Alheilmittel für gute Politik. Sie ist aber die Basis einer repräsentativen Demokratie. Ohne Repräsentanz verabschieden wir uns langsam aber sehr sicher aus unserem eigentlichen politischen System. Repräsentanz ist auch nicht einfach herzustellen, sondern ein langer und schwieriger Weg. Doch aktuell gibt es in der Politik nicht mal ein Problembewusstsein. Vor einigen Monaten war ich mit der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen beim Familienausschuss im Bundestag eingeladen. Dem Ausschuss der sich eigentlich für die Belange von Familien und Kindern einsetzen sollte. Wir wollten dem Ausschuss die Idee der Jugendquote in Parlamenten vorstellen. Der Ausschussvorsitzende meinte zu der Idee nur: „Ich habe Enkelkinder und mache auch Politik für diese.“
Wir haben das Prinzip der Repräsentanz scheinbar längst aufgegeben. Dabei ist es ein Prinzip für das sich das Kämpfen lohnt. Denn wenn wir den Kampf um die Repräsentanz aufgeben dann geben wir auch den Kampf um unsere Demokratie auf.