Interview mit der Märkischen Oderzeit zu jungen Menschen in der Politik

Herr Haan, gerade 12 von 709 Bundestagsabgeordneten sind unter 30. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Yannick Haan: Das Problem ist leider nicht neu, hat sich aber noch einmal verschärft. Die Ursache liegt vor allem in den Parteien, die es offensichtlich verpasst haben, junge Politiker über ihre Listen zu fördern. In den jetzigen Strukturen sind hauptsächlich ältere Parteimitglieder aktiv, und die unterstützen auch eher ältere Kandidaten. Wenn wir einen jüngeren Bundestag wollen, dann müssen die Parteien Junge besser in ihre Strukturen einbinden.

Auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sind im Bundestag unterrepräsentiert. Welchen Einfluss hat das auf die Parlamentsarbeit?
Einen großen. Wenn im Parlament ganze Bevölkerungsgruppen nicht richtig repräsentiert werden, wird ihre Stimme auch nicht ausreichend wahrgenommen. Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, jüngere Abgeordnete tragen ganz andere Lebenswirklichkeiten in den Bundestag. Beim Thema Digitalisierung gibt es eindeutige Generationenunterschiede, und Abgeordnete mit Migrationshintergrund, die vielleicht auch schon mal Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben, schauen anders auf die Integrationspolitik als jemand, der keinen Migrationshintergrund hat.

Sie sind selbst Sozialdemokrat. In der SPD-Fraktion gibt es keinen einzigen Abgeordneten unter 30. Was hat die Partei falsch gemacht?
Hier zeigt sich vor allem eines: Wenn eine Partei Stimmen verliert, sind die Jungen die ersten, die rausfliegen. Sie bekommen die wackligen Plätze, während diejenigen, die schon lange im Bundestag sitzen und eigentlich in der Lage sein sollten, ein Direktmandat zu gewinnen, über eine Liste abgesichert werden. Wer nicht seit 30 Jahren dabei ist, hat kaum eine Chance, aufzusteigen.

Ist es nicht etwas zu einfach, den Parteien die ganze Schuld zu geben?
Klar, auch junge Menschen müssen mutiger werden und auch mal für höhere Ämter kandidieren, auch wenn es dafür keine Erfolgsaussichten gibt. Es fehlt derzeit in der ganzen Partei an einer Kultur der Kandidatur. Man tritt nur noch an, wenn man sicher sein kann, dass man auch gewinnt. Als junger Mensch traut man sich in so einem Klima kaum, für ein Amt zu kandidieren. Denn, dass man mit einer solchen Kandidatur scheitert, ist so gut wie sicher, und hinterher hängt einem der Makel des ehrgeizigen Verlierers an.

Was muss jetzt passieren?
Zum einen braucht es eine Quote – 20 Prozent der Kandidaten auf Bundestags- und Landtagslisten müssen unter 35 sein. Zum anderen müssen die Parteien ihre Strukturen verändern, die stecken noch immer in den 70er Jahren. Ein Beispiel: Mit jedem Umzug innerhalb Berlins müsste ich theoretisch auch den Ortsverband wechseln, müsste ganz von vorne anfangen. Mit der Lebenswirklichkeit einer immer mobiler werdenden Generation hat das nichts zu tun. Dieses Ortsprinzip muss mindestens gelockert werden.

Sie haben einen Elf-Punkte-Plan für eine generationengerechte Partei aufgestellt. Der Ortsverein kommt dabei nicht besonders gut weg.
Ich habe gar nichts gegen Ortsvereine, ich bin ja selbst Vorsitzender eines Ortsvereins. Da wird gute und tolle Arbeit geleistet. Doch die Ortsvereine sind machtlos geworden. Das alte Ideal, dass die Ideen von ganz unten bis zur Parteispitze getragen werden – das sehe ich nicht mehr. Heute sind das eher Stammtische, Orte des sozialen Austauschs, und nicht mehr Orte, an denen politische Entscheidungen gefällt werden. Der Ortsverein ist entkernt, es braucht jetzt etwas, das ihm neues Leben einhaucht.

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