Dieser Beitrag ist im Dezember 2023 im politischen Feuilleton von Deutschlandfunk Kultur erschienen.
Seit dem 15. November befinden wir uns in einer neuen politischen Zeitrechnung. An diesem Tag hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über den Bundeshaushalt verkündet. Während in den letzten Monaten vor allem über Investitionen in die Zukunft gesprochen wurde, dreht sich in dieser neuen Zeitrechnung alles um Einsparungen. Die einen wollen bei Bürgergeldempfängern sparen, andere wollen Asylbewerbern die Leistungen kürzen. Und muss der Klimaschutz jetzt warten, bis wieder Geld da ist? Oder die dringend notwendigen Investitionen in unsere marode Infrastruktur?
Selbstverschuldete Haushaltskrise
Dabei wäre Geld da, denn Deutschland befindet sich in einer selbstverschuldeten Haushaltskrise. In unserem Land gibt es mehr Vermögen denn je und die wirtschaftliche Krise trifft die Menschen sehr ungleich. Eine Personengruppe ist stets als große Gewinner aus den zurückliegenden Krisen hervorgegangen. Es sind die Überreichen.
Während viele in der Corona Pandemie um ihre Existenz fürchten mussten, mussten die Reichsten kaum oder gar keine Einbußen hinnehmen, viele wurden sogar noch reicher. In Deutschland gibt es laut der jüngsten Rangliste des „Manager-Magazins“ mittlerweile 226 Milliardäre, darunter Personen mit einem Privatvermögen von 40 Milliarden Euro. Solche Vermögen kannten wir bis vor Kurzem in der Bundesrepublik nicht.
Schuld ist unser Steuersystem
Schuld an der extrem ungleichen Vermögensverteilung ist vor allem unser Steuersystem. Deutschland ist ein Hochsteuerland bei Arbeitseinkommen und ein Steuerparadies bei Vermögen. Wer in Deutschland Geld mit Kapitalerträgen erzielt, wird vom Staat belohnt. Das „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ hat ausgerechnet, dass der Durchschnittsmillionär in Deutschland einen Steuer- und Abgabensatz von 24 Prozent zahlt, bei der Durchschnittsfamilie sind es 43 Prozent. Diese Zahlen zeigen eindrücklich die Ungerechtigkeit unseres Steuersystems. Seit den 80er Jahren haben wir sukzessive alle Steuern auf Vermögen abgebaut. Die Vermögenssteuer bleibt weiter ausgesetzt. Kapitalerträge werden einfach pauschal besteuert.
Erbschaftssteuer bringt zu wenig
Bleibt noch die Erbschaftsteuer. Die bringt aktuell Einnahmen von rund acht Milliarden Euro. Und das bei einer jährlichen Erbsumme von 300 bis 400 Milliarden Euro, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor ein paar Jahren geschätzt hat.
Geld bedeutet Macht, es bedeutet politische Macht, es bedeutet Einfluss. Wenn man sich das Vermögensgefälle in Deutschland anschaut, dann haben wir die politische Macht ungleich verteilt. Es verwundert daher auch nicht, dass als erstes bei den Schwächsten der Gesellschaft eingespart werden soll. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt unser Steuersystem umzubauen. Wir brauchen ein System, das wieder nach Leistungsfähigkeit besteuert. Wer viel Geld hat, kann auch mehr Steuern zahlen.
Die Reichsten zahlen viel zu wenig
Es kann nicht sein, dass diejenigen, die am meisten von dieser Gesellschaft profitieren, am wenigsten an diese zurückgeben. Es kann nicht sein, dass die reichsten Menschen in Deutschland weniger Steuern und Abgaben zahlen als eine Krankenschwester oder ein Bauarbeiter. Und es kann nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt notwendige Investitionen verschoben werden oder ganz ausfallen, weil sich die Vermögendsten vor ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen drücken.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollte ein Weckruf sein. Ein Weckruf, die Überreichen dieser Gesellschaft endlich in die Verantwortung zu nehmen. Und das geht nur über eine überfällige Reform unseres Steuersystems.